Balys Sruoga
Der Wald der Götter
Übersetzt aus dem Litauischen von Markus Roduner, Vilnius
Baltische Bibliothek im BaltArt-Verlag – Band II
Deutsche Erstausgabe, 1. Auflage 2007
ISBN: 978-3-9523109-4-6
Preise: 22 € / 28 CHF (plus allfällige Versandkosten)
Titel der litauischen Originalausgabe: «Dievų miškas»
© Lietuvos rašytojų sąjungos leidykla, Vilnius, 1997
Buchumschlag-Illustration: Rasa Liorančaitė-Malakauskienė, Kaunas
Umschlaggestaltung: Šarunas Škimelis, Šiualiai
Korrektorat: Peter Weber, Basel
Druck: AB »Aušra«, Kaunas
Der Übersetzer Markus Roduner:
Die litauische Institution Books from Lithuania mit Mitteln des Kulturministeriums hat die Herausgabe des Buchs unterstützt.
Weltliteratur aus Litauen
«Der Wald der Götter» («Dievų miškas») von Balys Sruoga ist eines der wichtigsten Werke der litauischen Literatur. Der Schweizer BaltArt Verlag bringt diesen epochalen Roman nun erstmals in deutscher Übersetzung unter dem Titel Der Wald der Götter heraus. Der Klassiker ist das zweite Buch in der BaltArt-Reihe «Baltische Bibliothek», welche zum Ziel hat, dem deutschsprachigen Publikum das Baltikum und baltische Literatur näher zu bringen. Übersetzt hat das Werk der in Litauen lebende Schweizer Übersetzer Markus Roduner.
Das Buch
Den autobiographischen Roman «Der Wald der Götter» verfasste Balys Sruoga 1945 innerhalb weniger Monate. Er beschreibt darin das Leben und Leiden in einem deutschen Konzentrationslager – in seinem Fall das im KZ Stutthof bei Danzig. Mit scharfer Feder und viel Galgenhumor führt der Autor den Lesern einerseits die unmenschlichen Zustände im KZ vor Augen, andererseits versucht er selbst, Distanz zum Geschehenen zu gewinnen. Denn Sarkasmus ist das Einzige, was die Nazischergen nicht ertragen können.
Rezension von Daniel Haller (Mittelland Zeitung / Solothurner Zeitung)
Der Autor
Balys Sruoga wurde 1896 im Nordosten Litauens geboren. Er studierte Forstwirtschaft am Petrograder Forstinstitut, später Literatur an den Universitäten von Petrograd, Moskau und München. Nach seiner Rückkehr wurde er zum Professor für russische Literatur an der Litauischen Universität in Kaunas ernannt. Ab 1939 dozierte er an der Universität Vilnius. Sruoga gilt als bedeutendster Förderer und Wegbereiter von Theater und Dramaturgie im Litauen der Zwischenkriegszeit und als massgeblicher Literaturkritiker. Sruoga war auch ein wichtiger Lyriker, doch sein grosses Talent zeigte sich in seinen historischen Dramen. Weiter war Balys Sruoga auch ein produktiver Literaturübersetzer aus dem Russischen, Deutschen und Französischen.
Im Frühling 1943 wurde Sruoga zusammen mit anderen litauischen Intellektuellen von den Nazis unter dem Vorwurf verhaftet, die Studenten gegen den Dienst in der SS aufzuhetzen und ins Konzentrationslager Stutthof deportiert. Die KZ-Haft überlebte er.
Nach seiner Rückkehr aus dem KZ verarbeitete er seine Erinnerungen im autobiographischen Roman «Der Wald der Götter». Dieser konnte aber erst zehn Jahre nach seinem Tod auf Litauisch erscheinen und gehört heute zu den Klassikern der litauischen Literatur des 20. Jahrhunderts. Der Autor verstarb 1947.
Foto: Maironio lietuvių literatūros muziejus; Kaunas
Balys Sruoga
Textauszug
Vom Barock zur Baracke
Hitler-Deutschland war zu einem klassischen Lagerland geworden. Ein Land, früher berühmt für seine prächtige Barockkunst, brüstete sich jetzt seiner Baracken. Lagerleben in Baracken.
Der Niedergang vom Barock zur Baracke – dieser historische Prozess machte eindrücklich die Ent- wicklung der deutschen Kultur unter Hitlers Herrschaft sichtbar. Und es war kein Zufall, sondern nur folgerichtig, dass Deutschland, das auf dem Gipfel seiner Kriegsmacht immer neue Länder besetzte, zur Mitte des 20. Jahrhunderts hin zum Lagerträger im weitesten Sinne des Wortes wurde – Deutschland, einst Kulturträger. Jetzt, abgehalftert, ohne den kleinsten Rest schöpferischer Kraft, hatte Hitler-Deutschland anderen Ländern als Glanzpunkt seiner Kultur Lager und Baracken zu bieten.
Deutschland war mit einer kaum überschaubaren Anzahl von Lagern verschiedenster Art über- sät: Heerlager, Sportlager, Erholungslager, Politiklager, Jugendlager, Reichsarbeitsdienstlager, Heimkehrerlager, Kriegsflüchtlingslager und Vertriebenenlager, Lager für Menschen zerbombter Städte, Durchgangslager und Verteillager, Arbeitslager, Interniertenlager, Kriegsgefangenenlager und so weiter und so fort. Die Vorhut aller Lager, Glanzpunkt und Stolz der Hitler-Kultur, bildeten die Konzentrationslager, die in Deutschland gleichzeitig mit der Hitler’schen Machtübernahme auf der Bild- fläche erschienen waren. Allerdings durften nicht alle Konzentrationslager in einen Topf geworfen werden, auch wenn sie allesamt nur einem Zweck dienten, nämlich der Vernichtung der Gegner Hitler-Deutschlands – der echten und der vermeintlichen Feinde – sowie sonstiger überflüssiger Mit- bürger und von Parteibehörden unerwünschter Elemente. So waren diese Lager, allen voran Dachau, anfangs fast alle g e s c h l o s s e n e Lager, das heißt, niemand kehrte lebend wieder. Vernichtungs- lager.
Auch als sich Hitlers Macht noch auf Deutschland beschränkt hat, und er nur dessen Bürger in Lager stecken und vernichten ließ, fielen diesem Treiben Hunderttausende zum Opfer. Die genaue Zahl kennt niemand. Mit Hitlers Eroberung fremder Länder konnten die deutschen Staatsbürger ein wenig aufatmen: Neues Vernichtungsmaterial war gefunden. Schnell nahm die Zahl der Lager zu: Dachau, Oranienburg, Buchenwald, Mauthausen, Gusen, Groß-Rosen, Ravensbrück, Flossenbürg, Auschwitz. Die größeren Lager waren ihrer Einwohnerzahl nach ganze Städte – mit Außenstellen und Fabriken, mit besonderen Gesetzen, mit ihren nirgendwo sonst praktizierten eigenen Regeln von Recht und Ordnung, mit eigenen Parteien und Parteiintrigen, mit eigenen Sitten und mit ihren eigenen Lebensweisen. Ende 1943 waren alle Lager in fünf Härtekategorien eingeteilt. Dachau gehör- te damals schon zur Kategorie 1 – das beste, das leichteste Lager. Es hatte sich sozusagen zu einem Repräsentationslager gemausert. Mehr als einmal von Vertretern des Komitees des Internationalen Roten Kreuzes besucht, war das Lager Dachau zu einem nationalsozialistischen Propagandainstru- ment aufgestiegen. Dort saßen Engländer, Amerikaner, Franzosen ein, und die Lagerverantwortli- chen hüteten sich, mit ihnen so umzugehen wie mit den Mittel- und Osteuropäern.
Das schlimmste Lager des Deutschen Reiches – Kategorie 4 – war Mauthausen mit seinem ersten Außenlager Gusen. Die Lager der Kategorie 5 befanden sich außerhalb der Grenzen des Deutschen Reiches, vor allem in Polen, wie Majdanek. Sie blieben bis zum Ende g e s c h l o s s e n e Lager. Vernichtungslager.
Der Wald der Götter, offiziell Konzentrationslager Stutthof genannt, bot kein klares Bild. Dort fanden sich Merkmale der Kategorien 1 bis 5. Seine schwerste Zeit erlebte Stutthof von 1939 bis Ende 1942 – als die deutsche Wehrmacht im Triumphmarsch durch Europa zog, und den deutschen SS-Schergen allein der Gedanke an eine Kriegsniederlage Hitler-Deutschlands als blanker Unsinn, Fantasie eines Wahnsinnigen, erschien. Damals war auch der Wald der Götter ein geschlossenes Lager. Bis Ende 1942 waren mehr als 20 000 Menschen in diese adrette Anstalt geraten, von denen nicht weniger als 18 000 auf die eine oder andere Weise zu Tode gebracht wurden. Die restlichen 2000 waren entweder in andere Konzentrationslager verfrachtet worden oder hatten hieselbst überlebt. Nur ganz wenige Insassen waren aus dem Konzentrationslager entlassen worden – natürlich nicht in die Freiheit, sondern in die Zwangsarbeit oder in ein Arbeitslager.
[...]
Die Lagerverwaltung in Häftlingshänden! Auch wenn diese Aussage übertrieben ist, so steckt doch eine Portion Wahrheit darin. Im Prinzip war es ähnlich wie mit der Leibeigenschaft im za- ristischen Russland: Der Besitzer eines Leibeigenen konnte seinen Sklaven bestrafen, auspeitschen, verkaufen, gegen einen Hund eintauschen – und vermochte doch ohne die Dienste des Leibeigenen nicht zu leben. Diese Situation wird, um ein Beispiel zu nennen, meisterhaft vom berühmten russischen Autor Iwan Gontscharow in seinem bekannten Roman »Oblomow« geschildert: Der ohne seinen Leibeigenen Sachar nicht lebensfähige Gutsbesitzer Ilja Oblomow wurde selbst zum Sklaven Sachars. Auch wenn Sachar nicht frei kommen konnte, machte er faktisch mit seinem Herrn, was er wollte. Rechtlos, stets von den Launen seines Herrn abhängig, vermochte Sachar dem Herrn seinen Willen aufzuzwingen.
In gewisser Weise verhielt es sich so auch mit den Beziehungen zwischen SS-Männern und Insas- sen im Konzentrationslager Stutthof. Die SS-Leute durften die Häftlinge jederzeit erschießen, erhängen, mit einem Knüppel oder einem Stein totschlagen, den Hunden zum Fraß vorwerfen, ausplündern, auspeitschen, mit Teer übergießen und so weiter und so fort. Die Häftlinge standen jenseits aller Gesetze. Sie besaßen keinerlei Rechte, und keine Rechtsordnung verteidigte sie. Die Häftlinge waren bedeutungsloser als jede x-beliebige, im Inventurbuch verzeichnete Sache. Und doch konnten die SS-Männer ohne Mithilfe der Insassen weder das Lager instand halten noch ihr privates Leben meistern. Die meisten dieser Sachar-Häftlinge waren Polen, die Stutthof seit der Lager-Gründung überstanden hatten, sowie Deutsche, die aus anderen Lagern hierher verlegt worden waren – meist Kriminelle, Homosexuelle oder Bibelforscher.
Diese Ordnung hatte nur aufgrund der großen Not und der furchtbaren Qualen über eine so lange Zeit aufrechterhalten werden können. Und doch präsentierte sich das Lager als keine beständige, unveränderliche Einheit. Wie das Glück auf dem Schlachtfeld und die Stimmung in der deutschen Bevölkerung wechselte auch die Atmosphäre im Lager oft. Es wechselten die Leute, die Lagerherren und die Insassen. Es wechselten die Vorschriften und die Lagerordnung. Doch dies und vieles mehr, viel Wichtigeres, kann nur erfassen, wer selbst längere Zeit im Lager verbracht hat.
Kaum betrat man den Wald der Götter, beschlich einem das Gefühl, als seien die alten Götter spurlos von hier verschwunden, als habe sich hier die Hölle selbst breit gemacht, besetzt von SS-Schergen – die alten Teufel haben sie in den Kerker geworfen und selbst deren Platz eingenommen. Echte Teufelskerle!
…
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